Kennen Sie den überhaupt noch? Es ist eigentlich der Kapitän unserer glorreichen Borussia. Die Rede ist von Sebastian Kehl, einst unersetzbarer defensiver Mittelfeldspieler, Abräumer, kurz auch 6er genannt.
Eigentlich ist es bei ihm schon der Normalzustand, dass er verletzt ist, die zahlreichen Verletzungen kann kaum noch jemand aufzählen. Neben diversen Muskelgeschichten bleibt wohl vor allem seine beim Aufwärmen in Lemberg erlittene Verletzung des Sehnenansatzes des linken Hüftbeugemuskel in traumatischer Erinnerung. Wusste gar nicht, dass es dieses Körperteil überhaupt gibt und falls ja, dass es einen Menschen so lange außer Gefecht setzen kann.
Umso bemerkenswerter ist es daher, dass sich Kehl auch von diesem neuerlichen Rückschlag nicht hat unterkriegen lassen und weiter gekämpft hat für sein Glück. Glück heißt in seinem Fall, überhaupt wieder auf die Beine zu kommen und seine Karriere nicht an den Nagel zu hängen. (Laut eigener Aussage hat er schon mehrmals ans Aufhören gedacht…) Insofern muss man unserem Kapitän einen großen Willen bescheinigen, den in dieser Form wohl nicht viele in sich tragen. Dies hat auch der Rest unserer Mannschaft realisiert. Unvergessen die Aktion, als das komplette Team Sebastian nach einer (der vielen) Comeback-Trainingseinheiten mit großem Applaus Tribut zollte.
Doch die, die da Applaus gespendet haben, spielen momentan „völlig losgelöst von der Liga“. Die Frage verdient Berechtigung, inwiefern unser Kapitän überhaupt gebraucht wird. Seinen Job haben im defensiven Mittelfeld längst andere übernommen. Als Sebastian noch regelmäßig (wenn man das überhaupt so nennen kann) gespielt hat, war unser Spielsystem ein anderes. Meist nämlich ein Vierer-Mittelfeld als Raute ausstaffiert. Am ehesten dürfte er im neuen Spielsystem Manni „Chuck Norris“ Bender den Rang ablaufen können. Doch der wurde just diese Woche zum ersten Mal in die Nationalelf berufen, auch wenn er gegen Italien noch nicht zum Einsatz kam. An eine Karriere in der Nationalelf wagt Kehl freilich nicht mehr zu glauben. Neben Manni bliebe noch der Platz, den Nuri momentan einnimmt. Aber mal im Ernst. Ein Nuri auf der Bank? Das ist beim Spieler mit dem besten Kicker-Notendurchschnitt schlicht undenkbar. Er ist unser Denker und Lenker im Mittelfeld, dient zudem als Taktgeber.
Hier stellt sich die Frage, wie es mit Kehl weitergehen soll und ob für ihn überhaupt noch Platz in der Mannschaft ist? Bleibt fast zu fürchten, dass er sich das Schicksal mit Dede teilen darf/muss. Dieser kommt jedenfalls an Schmelle wohl nicht mehr in diesem Leben vorbei.
Bei beiden bleibt also abzuwarten, ob sie sich mit der Rolle als Ersatzspieler anfreunden können. Bliebe Klopp seiner Handlungsweise treu, dürfte sich Kehl also auf der Bank wiederfinden. Denn Bender nach dieser Spielzeit auf die Bank zu setzen, das wäre zum einen unfair und zum anderen nicht gerade mannschaftsdienlich.
Ein anderer Punkt ist nicht zuletzt die finanzielle Seite. Geschätzt dürften Dede und Kehl zu den Topverdienern der Mannschaft zählen. Gerade diese beiden aber als Backup mit den gut dotierten Verträgen zu halten, wäre nicht ganz ungefährlich. Zudem fehlt hierdurch finanzieller Spielraum, um die Mannschaft gemäß dem Motto „Stillstand ist Rückschritt“ für die nächste Saison in der Champions League aufzurüsten.
Denn trotz des momentanen Erfolgs darf nicht vergessen werden, dass dies nächste Saison mit Doppelbelastung wieder anders aussehen kann, auch weil der Druck mit dem zunehmenden Erfolg nicht ewig von der Mannschaft ferngehalten werden kann. Für diesen Fall könnte man noch entsprechende Verstärkung gebrauchen, die das ein oder andere Spiel auf internationaler Bühne bereits absolviert hat. Denn das Abschneiden auf internationaler Bühne wird in dieser Spielzeit wohl der einzige Wehrmutstropfen bleiben. Diese Erfahrung bringen gerade Kehl und Dede, nicht zuletzt wegen ihres Alters und ihrer langen Vergangenheit beim BVB, mit. Doch ob sie wieder die Chance erhalten werden, ihr Können von Anfang an unter Beweis zu stellen und Verantwortung auf dem Platz zu übernehmen, darf stark angezweifelt werden.